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Der große Kampf
seiner Ansprache wahrnahm, hatte erklärt: „Der soll mich nicht zum
Ketzer machen.“ Der Mut aber und die Festigkeit, die Luther nun an
den Tag legte, überraschte, ebenso wie die Kraft und Klarheit seiner
Beweisführung, alle Parteien. Von Bewunderung hingerissen, rief der
Kaiser: „Dieser Mönch redet unerschrocken, mit getrostem Mut!“
Viele Fürsten blickten mit Stolz und Freude auf diesen Vertreter
ihrer Nation.
Die Anhänger Roms waren geschlagen, und ihre Sache erschien
in einem sehr ungünstigen Licht. Sie suchten nicht etwa dadurch
ihre Macht aufrechtzuerhalten, indem sie sich auf die Heilige Schrift
beriefen, sondern sie nahmen ihre Zuflucht zu Roms nie versagen-
dem Beweismittel: zur Drohung. Der Wortführer des Reichstages
sagte: Widerruft er nicht, so werden der Kaiser samt den Fürsten
und Ständen des Reiches beraten, wie sie mit einem solchen Ketzer
verfahren wollen.
Luthers Freunde hatten seiner glänzenden Verteidigungsrede
mit großer Freude gelauscht, doch diese Worte ließen sie für seine
Sicherheit fürchten. Luther selbst aber sagte gelassen: „So helf mir
Gott, denn einen Widerruf kann ich nicht tun.
Luther verließ den Tagungsort damit die Fürsten sich beraten
konnten. Sie fühlten, daß sie vor einem großen Wendepunkt standen.
Luthers beharrliche Weigerung, sich zu unterwerfen, könnte die
Geschichte der Kirche auf Jahrhunderte hinaus beeinflussen. Es
wurde beschlossen, ihm nochmals Gelegenheit zum Widerruf zu
geben. Zum letztenmal wurde er vor die Versammlung gebracht. Der
Wortführer der Fürsten fragte ihn nochmals im Namen des Kaisers,
ob er nicht widerrufen wolle. Darauf erwiderte Luther: „Ich weiß
keine andere Antwort zu geben, wie die bereits vorgebrachte.
Er könne nicht widerrufen, er wäre denn aus Gottes Wort eines
besseren überführt. Es war offenbar, daß weder Versprechungen
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noch Drohungen ihn zur Nachgiebigkeit gegenüber Roms Befehlen
bewegen konnten.
Die Vertreter Roms ärgerten sich, daß ihre Macht, die Könige
und Adlige zum Erzittern gebracht hatte, auf diese Weise von einem
einfachen Mönch mißachtet werden sollte; sie verlangten danach, ihn
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Luther, Walch, XV, 2234,2235
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Luther, Leipziger Ausgabe, XVII, 580