Luthers Trennung von Rom
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Urteilskraft und unermüdlicher Fleiß ließen ihn bald einen Platz
in den vordersten Reihen seiner Gefährten gewinnen. Die geistige
Erziehung reifte seinen Verstand und erweckte eine Geistestätig-
keit und einen Scharfblick, die ihn für die Kämpfe seines Lebens
vorbereiteten.
Die Furcht des Herrn wohnte in Luthers Herzen; sie befähigte
ihn, an seinen Vorsätzen festzuhalten und führte ihn zu tiefer Demut
vor Gott. Er war sich ständig seiner Abhängigkeit von der göttlichen
Hilfe bewußt und versäumte nicht, jeden Tag mit Gebet zu beginnen,
während sein Herz ständig um Führung und Beistand flehte. Oft
sagte er: „Fleißig gebetet ist über die Hälfte studiert.
Als Luther eines Tages in der Universitätsbibliothek die Bücher
durchschaute, entdeckte er eine lateinische Bibel. Solch ein Buch
hatte er nie zuvor gesehen, wie er selbst bezeugte: „Da ich zwanzig
Jahr alt war, hatte ich noch keine gesehen. Ich meinte, es wären
keine Evangelien noch Episteln mehr, denn die in den Postillen
sind.
Nun blickte er zum erstenmal auf das ganze Wort Gottes.
Mit ehrfürchtigem Staunen wendete er die heiligen Blätter um; mit
beschleunigtem Puls und klopfendem Herzen las er selbst die Worte
des Lebens, hin und wieder anhaltend, um auszurufen: „Oh, daß Gott
mir solch ein Buch als mein Eigentum geben wollte!“ Engel Gottes
standen ihm zur Seite, und Strahlen des Lichtes vom Thron des
Höchsten enthüllten seinem Verständnis die Schätze der Wahrheit.
Er hatte sich stets gefürchtet, Gott zu beleidigen; jetzt aber ergriff ihn
wie nie zuvor eine tiefe Überzeugung seines sündhaften Zustandes.
Das aufrichtige Verlangen, von Sünden frei zu sein und Frieden
mit Gott zu haben, veranlaßte ihn schließlich, in ein Kloster ein-
zutreten und ein Mönchsleben zu führen. Hier mußte er sich den
niedrigsten Arbeiten unterziehen und von Haus zu Haus betteln. Er
stand in dem Alter, in dem man sich am meisten nach Achtung und
Anerkennung sehnt, und fühlte sich in seinen natürlichen Gefühlen
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durch diese niedrige Beschäftigung tief gekränkt; aber geduldig er-
trug er die Demütigung, weil er glaubte, daß es um seiner Sünden
willen notwendig sei.
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Mathesius, „Luther-Historien“ 3.
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„D. Martin Luthers sämtliche Werke“, Erlanger Ausgabe, LX, 255