Seite 177 - Der gro

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Der Reformator der Schweiz
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rungen der Kirche ausgewählt hatte. Mit tiefer Anteilnahme hörte er
von den großen Taten der Erzväter und Propheten, von den Hirten,
die auf den Hügeln Palästinas ihre Herden geweidet hatten, wo En-
gel mit ihnen von dem Kindlein zu Bethlehem und dem Mann von
Golgatha redeten.
Gleich Hans Luther wollte auch Zwinglis Vater seinem Sohn
eine gute Ausbildung mitgeben. Der Knabe wurde sehr bald aus
seinem heimatlichen Tal fortgeschickt. Sein Verstand entwickelte
sich rasch, und bald tauchte die Frage auf, wo man fähige Lehrer
für ihn finden könne. Mit dreizehn Jahren ging er nach Bern, wo
sich damals die hervorragendste Schule der Schweiz befand. Hier
jedoch erstand eine Gefahr, die sein vielversprechendes Leben zu
vernichten drohte. Die Mönche bemühten sich beharrlich, ihn zum
Eintritt in ein Kloster zu bewegen. Dominikaner und Franziskaner
wetteiferten um die Gunst des Volkes, die sie durch den glänzenden
Schmuck ihrer Kirchen, das Gepränge ihrer Zeremonien, den Reiz
berühmter Reliquien und Wunder wirkender Bilder zu erreichen
suchten.
Die Dominikaner von Bern erkannten, daß sie sich Gewinn und
Ehre verschaffen würden, wenn sie diesen begabten jungen Stu-
denten gewönnen. Seine außerordentliche Jugend, seine natürliche
Fähigkeit als Redner und Schreiber sowie seine Begabung für Musik
und Dichtkunst wären wirksamer, das Volk zu ihren Gottesdiensten
herbeizuziehen und die Einkünfte ihres Ordens zu mehren, als all ihr
Prunk und Aufwand. Durch Täuschung und Schmeichelei versuch-
ten sie Zwingli zu verleiten, in ihr Kloster einzutreten. Luther hatte
sich während seiner Studienzeit in einer Klosterzelle vergraben und
wäre für die Welt verloren gewesen, hätte nicht Gottes Vorsehung
ihn daraus befreit. Zwingli geriet nicht in diese Gefahr. Die Vorse-
hung fügte es, daß sein Vater von den Absichten der Mönche erfuhr.
Da er nicht gewillt war, seinen Sohn dem müßigen und nutzlosen
Leben der Mönche frönen zu lassen, und außerdem erkannte, daß
dessen zukünftige Brauchbarkeit auf dem Spiel stand, wies er ihn
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an, unverzüglich nach Hause zurückzukehren.
Der Jüngling gehorchte; doch blieb er nicht lange in seinem hei-
matlichen Tal, sondern nahm bald seine Studien wieder auf und be-
gab sich wenig später nach Basel. Hier hörte Zwingli zum erstenmal
das Evangelium von der freien Gnade Gottes. Wyttenbach, ein Leh-