Seite 173 - Der gro

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Luther vor dem Reichstag
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kaiserlichen Verbots die Kanzel. Er selbst hatte keine Bedenken;
„denn er habe nicht darein gewilligt, daß Gottes Wort gebunden
werde“
Die Legaten des Papstes erpreßten bald nach seiner Abreise vom
Kaiser die Erklärung der Reichsacht
Darin wurde Luther „nicht als
ein Mensch, sondern als der böse Feind in Gestalt eines Menschen
mit angenommener Mönchskutte
gebrandmarkt. Es wurde befoh-
len, nach Ablauf seines Sicherheitsgeleites Maßregeln gegen ihn zu
ergreifen, um sein Werk aufzuhalten. Es war jedermann verboten, ihn
zu beherbergen, ihm Speise oder Trank anzubieten, ihm durch Wort
oder Tat öffentlich oder geheim zu helfen oder ihn zu unterstützen.
Er sollte, gleich wo er auch war, festgenommen und der Obrigkeit
ausgeliefert werden. Seine Anhänger sollten ebenfalls gefangen-
gesetzt und ihr Eigentum beschlagnahmt werden. Seine Schriften
sollten vernichtet und schließlich alle, die es wagen würden, die-
sem Erlaß entgegenzuhandeln, in seine Verurteilung eingeschlossen
werden. Der Kurfürst von Sachsen und die Fürsten, die Luther am
günstigsten gesonnen waren, hatten Worms bald nach seiner Abrei-
se verlassen. Der Reichstag bestätigte nun den Erlaß des Kaisers.
Jetzt frohlockten die Römlinge. Sie betrachteten das Schicksal der
Reformation für besiegelt.
Gott hatte für seinen Diener in dieser Stunde der Gefahr einen
Weg der Rettung vorbereitet. Ein wachsames Auge war Luthers
Schritten gefolgt, und ein treues und edles Herz hatte sich zu seiner
Rettung entschlossen. Es war deutlich, daß Rom nichts Geringeres
als seinen Tod fordern würde; nur indem er sich verbarg, konnte er
vor dem Rachen des Löwen bewahrt werden. Gott gab Friedrich
von Sachsen Weisheit, einen Plan zu entwerfen, der den Reforma-
tor am Leben erhalten sollte. Unter der Mitwirkung treuer Freunde
wurde des Kurfürsten Absicht ausgeführt und Luther erfolgreich
vor Freunden und Feinden verborgen. Auf seiner Heimreise wurde
er gefangengenommen, von seinen Begleitern getrennt und in aller
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Eile durch die Wälder nach der Wartburg, einer einsamen Burgfeste,
gebracht. Seine Gefangennahme und auch sein Verschwinden ge-
schahen unter so geheimnisvollen Umständen, daß selbst Friedrich
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Enders, Bd. III, 154, 14.5.1521
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Luther, EA, XXIV, 223-240
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D‘Aubigné, ebd., 7.Buch, 11.Abschnitt, 232