Seite 71 - Das Leben Jesu (1973)

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Auf dem Passahfest
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leidenden Heiland lenken zu können. Auf Golgatha suchte er den
Schmerz seiner Mutter zu lindern. Jetzt nun mußte er besonders an
sie denken. Maria würde Zeugin seines letzten Ringens sein, und
Jesus wollte, daß sie seine Sendung verstand, damit sie darin bestärkt
würde, auszuharren, wenn das Schwert ihre Seele durchdringen wür-
de.
Lukas 2,35
. Wie Jesus von ihr getrennt worden war, und sie ihn
mit Schmerzen drei Tage gesucht hatte, so wäre er auch dann wieder
für sie drei Tage verlorengegangen, wenn er für die Sünden der Welt
geopfert würde. Und wenn er aus dem Grab käme, würde sich ihre
Trauer wieder in Freude verwandeln. Doch wieviel besser würde sie
den Schmerz über seinen Tod ertragen haben, wenn sie die Texte
verstanden hätte, auf die er jetzt ihre Gedanken zu lenken suchte!
Hätten sich Maria und Joseph durch ein eifriges und innigeres
Gebetsleben mit Gott verbunden, so würden sie die Heiligkeit des
ihnen anvertrauten Jünglings besser erkannt haben, und sie hätten
Jesus nimmermehr aus den Augen verloren. Durch die Nachläs-
sigkeit eines Tages verloren sie den Heiland, und sie mußten drei
Tage mit Kummer und Sorgen suchen, ehe sie ihn wiederfanden.
So ergeht es auch uns. Durch unnützes, törichtes Geschwätz oder
durch Vernachlässigen des Gebets können wir in kurzer Zeit die
Gegenwart des Heilandes verlieren, und es mögen dann viele Tage
schmerzlichen Suchens vergehen, ehe wir ihn wiederfinden und auch
den verlorenen Frieden wieder gewinnen.
Wir müssen auch in unserem Verkehr miteinander darauf bedacht
sein, Jesus nicht aus den Augen zu verlieren oder ganz zu verges-
sen. Lassen wir uns von den irdischen Dingen so sehr in Anspruch
nehmen, daß wir keine Gedanken mehr für ihn haben, in dem doch
unsere ganze Hoffnung auf ein ewiges Leben gipfelt, trennen wir uns
von dem Herrn und seinen himmlischen Heerscharen. Diese heiligen
Wesen können nicht sein, wo der Heiland unerwünscht ist und wo
seine Abwesenheit nicht bemerkt wird. Darum ist auch bei den Na-
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menschristen häufig eine so überaus große geistliche Entmutigung
zu finden.
Viele wohnen einer gottesdienstlichen Handlung bei und werden
durch das Wort Gottes erfrischt und belebt. Weil sie aber zuwenig
nachdenken, zuwenig „wachen und beten“, verlieren sie bald wieder
den Segen und fühlen sich verlassener als je zuvor. Oft glauben sie
dann, Gott behandle sie zu hart; sie sehen nicht, daß die Schuld allein