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Kapitel 41: Im Umgang mit andern
„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi
erfüllen.“
Jede Verbindung des Lebens erfordert die Übung von Selbstbe-
herrschung, Nachsicht und Teilnahme. Wir sind so sehr verschieden
in Veranlagung, Gewohnheiten, Erziehung, daß auch die Art und
Weise, wie wir eine Sache ansehen, verschieden ist. Wir urteilen
verschieden. Unser Verständnis der Wahrheit, unsere Begriffe in
Bezug auf Lebensführung sind nicht in allen Punkten dieselben. Es
gibt nicht zwei Menschen, deren Erfahrung in jeder Einzelheit gleich
ist. Die Prüfungen des einen sind nicht diejenigen des anderen. Die
Pflichten, welche einer leicht findet, sind für einen anderen sehr
schwer und verwirrend.
Die menschliche Natur ist so schwach, so unwissend, so dem
Irrtum unterworfen, daß jedermann vorsichtig sein sollte in der
Achtung, die er anderen entgegenbringt. Wir wissen wenig davon,
wie unsere Handlungen auf die Erfahrungen anderer wirken. Es mag
für uns geringfügig erscheinen, was wir tun oder sagen; könnten
aber unsere Augen geöffnet werden, so würden wir sehen, daß die
wichtigsten Erfolge zum Guten oder Bösen davon abhängig waren.
Rücksicht für Lastträger
Viele haben so wenig Lasten getragen, ihre Herzen haben so
wenig wirkliche Angst erfahren, sie haben um anderer willen so
wenig Verlegenheit und Beschwerden gefühlt, daß sie die Arbeit des
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wahren Lastträgers nicht verstehen können. Sie sind nicht imstande,
seine Lasten mehr zu würdigen als das Kind imstande ist, die Arbeit
und Sorge des belasteten Vaters zu verstehen. Das Kind mag sich
über die Befürchtungen und Verlegenheiten des Vaters wundern; sie
erscheinen ihm unnötig. Aber wenn mit den Jahren die Erfahrung
des Lebens dazukommt, wenn es selbst Lasten tragen muß, so wird
es auf das Leben seines Vaters zurückblicken und das verstehen,
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